Rede von Bundesrätin Simonetta Sommaruga (Revision Verjährungsrecht)

Bern, 31.08.2011 - An der Medienkonferenz des Bundesrates informierte Bundesrätin Simonetta Sommaruga über die Revision des Verjährungsrechts. Dieses ist bisher in verschiedenen Gesetzen geregelt und soll nun vereinheitlicht werden. Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrte Damen und Herren

Mit der Revision des Verjährungsrechts, die der Bundesrat heute in die Vernehmlassung schickt, soll ein wichtiger Teil des Obligationenrechts grundlegend revidiert werden. Zentrales Ziel und Kernanliegen der Vorlage ist es, das Verjährungsrecht zu vereinheitlichen, das bisher in verschiedenen Gesetzen unterschiedlich geregelt ist.

Worum geht es bei dieser Vorlage, die auf den ersten Blick eher technisch und abstrakt juristisch ist, letztlich aber jede und jeden von uns sehr direkt betreffen kann?

Gegenstand des Verjährungsrechts ist die Frage, wie lange Forderungen durchgesetzt werden können, Forderungen beispielsweise aus einem Kaufvertrag oder wenn jemand die Sache eines andern beschädigt oder zerstört hat. Wenn die Verjährungsfrist abgelaufen und damit die Verjährung eingetreten ist, kann der Schuldner die Erfüllung verweigern und die Forderungen des Gläubigers zurückweisen.

Wie und wann diese Verjährung eintritt, ist heute in verschiedenen Gesetzen geregelt, und zwar unterschiedlich. Das ist wenig übersichtlich und nicht praktikabel. Mit der Vereinheitlichung, die der Bundesrat nun vorschlägt, sollen bestehende Regulierungen im Interesse aller Beteiligter vereinfacht werden. Darüber hinaus werden die Verjährungsfristen massvoll und im Einklang mit ausländischen Regelungen verlängert.

Wie Sie wissen, bestand früher einmal die Absicht, das Haftpflichtrecht insgesamt zu überarbeiten, nicht nur das Verjährungsrecht. Im Januar 2009 hat der Bundesrat aber entschieden, , wegen des fehlenden Konsenses in der Vernehmlassung, auf eine Totalrevision des Haftpflichtrechts zu verzichten. Gleichzeitig beschloss der Bundesrat, sich auf eine Vereinheitlichung und Verlängerung der Verjährungsfristen zu konzentrieren. Dies mit dem Ziel, dass Geschädigte auch bei Spätschäden Schadenersatzansprüche geltend machen können. In diesem Bereich besteht in den Augen aller Beteiligten der grösste Handlungsbedarf.

Ich verweise in diesem Zusammenhang auch auf eine Motion der nationalrätlichen Kommission für Rechtsfragen aus dem Jahr 2007, die genau diese Verlängerung verlangt. Nun, konkret schlägt der Bundesrat vor, dass für alle Forderungen zwei Verjährungsfristen gelten. Eine kurze relative Frist von drei Jahren und eine absolute Verjährungsfrist von 10 Jahren. Der Beginn der kurzen relativen Frist ist subjektiv bestimmt: Diese Frist beginnt erst ab dem Zeitpunkt zu laufen, in welchem dem Gläubiger die Forderung und die Person des Schuldners bekannt sind. Die absolute Frist hingegen beginnt grundsätzlich bereits mit der Fälligkeit der Forderung zu laufen. Also auch dann, wenn der Gläubiger noch keine Kenntnis von seiner Forderung hat.

Für Forderungen aus Personenschäden erachtet der Bundesrat diese Zehnjahresfrist aber als zu kurz, da es dabei häufig um Langzeit- oder Spätschäden geht. Denken Sie an die Astbestproblematik und an Personenschäden aufgrund von Baumängeln, die häufig erst nach Jahren und Jahrzehnten auftreten. Für diese Fälle schlägt der Bundesrat vor, die absolute Frist auf 30 Jahre festzusetzen.

Der Bundesrat stellt in diesem Bereich der Personenschäden auch eine Variante zur Diskussion: So soll diese Frist von 30 Jahren auch dann gelten, wenn ein Schadenersatzanspruch im Zeitpunkt des Inkrafttretens der vorgeschlagenen Rechtsänderung bereits verjährt ist.

Die Vorlage enthält weitere Bestimmungen, mit denen Probleme gelöst werden sollen, die heute in der Praxis auftauchen. Dabei trägt der Vorschlag des Bundesrats insbesondere auch den Anliegen der Wirtschaft und des Gewerbes Rechnung. Diese Kreise haben ein flexibles und kalkulierbares Verjährungsrecht gefordert. Der Bundesrat sieht deshalb gegenüber dem bisherigen Recht ein liberaleres Regime vor. Dieses Regime lässt zu, dass die Verjährungsfristen abgeändert werden. Zum Schutz insbesondere von Konsumentinnen und Konsumenten dürfen Verkürzungen von Verjährungsfristen für Personenschäden allerdings nicht in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten sein.

Schliesslich schlägt der Bundesrat vor, auf die bisherigen längeren Verjährungsfristen für Forderungen aus strafbaren Handlungen zu verzichten. Die Streichung rechtfertigt sich, weil die Verlängerung der absoluten Verjährungsfrist allgemein und insbesondere bei Personenschäden auf dreissig Jahre dazu führt, dass der Vorbehalt der strafrechtlichen Verjährungsfristen kaum mehr Berechtigung hätte. Auch hat sich gezeigt, wie schwierig es ist, wenn die zivilrechtliche von der strafrechtlichen Verjährung abhängt. Wenn beispielsweise ein Strafverfahren eingestellt wird oder ein Täter nicht verurteilt wird, dann kann die Schadensforderung aus der Straftat bei einer separaten strafrechtlichen Verjährungsfrist hinfällig werden. Und diese Abhängigkeit der Schadensforderungen vom Strafrecht möchte man in Zukunft vermeiden. Insgesamt ist der Bundesrat davon überzeugt, dass die vorgeschlagene Lösung die Interessen von Tätern und Geschädigten in ausgewogener Weise berücksichtigt.

Erlauben Sie mir zum Schluss noch eine Bemerkung zur Revision des Gewährleistungsrechts, über die der Nationalrat in der kommenden Herbstsession beraten wird. Auch dabei geht es um die Verjährung. So sollen die Verjährungsfristen im Kaufrecht von einem Jahr auf zwei beziehungsweise fünf Jahren verlängert werden. Der Bundesrat begrüsst diese Vorlage, weil sie die legitimen Interessen des Käufers, also der Konsumentinnen und Konsumenten, besser befriedigt, als dies im geltenden Recht der Fall ist.

Die Aufgabe des Gesetzgebers ist es, dafür zu sorgen, dass der Gläubiger zu seinem Recht kommt und dieses Recht nicht ohne Not wegen Zeitablaufs verliert. Es ist dieser Anspruch, den der Bundesrat mit der heute in die Vernehmlassung geschickten Vorlage einlösen will.

Besten Dank.


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Letzte Änderung 19.01.2023

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