Personnes enfermées par décision administrative: cérémonie du 10.09.2010 à Hindelbank

Berne, 10.09.2010 - Conseillère fédérale Eveline Widmer-Schlumpf. Les paroles prononcées font foi.

Sehr geehrte Damen und Herren,
Mesdames et Messieurs,

Wir haben die Geschichte der administrativ versorgten Frauen und Männer aus verschiedenen Blickwinkeln gehört. Sie, liebe Betroffene, haben „Ihre" Geschichte gehört.

Sie wissen, was es heisst, keine Stimme zu haben und nicht ernst genommen zu werden. Die Aufarbeitung der Vergangenheit ist ein schmerzvoller Prozess. Ihre Einweisungen in Hindelbank oder in eine andere Einrichtung haben Ihnen viel Leid verursacht und Ihr Leben für immer geprägt. Das Geschehene kann nicht mehr rückgängig gemacht werden, auch nicht durch das Recht. Vollzogene Massnahmen lassen sich nicht mehr korrigieren. Die Folgen der damaligen Entscheide bleiben bestehen. Ihre Jugend können wir Ihnen nicht mehr zurückgeben.

Wir, die wir heute hier als Vertreter von Bund und Kantonen vor Ihnen stehen, sind weder Richter noch Historiker.

Es geht denn heute auch nicht darum, die Behörden von damals, die damals geltendes Recht angewendet haben und deren Tun und Verhalten gesellschaftlich akzeptiert war, zu verurteilen.

Vielmehr geht es um den Ausdruck von Respekt gegenüber Ihnen, den Betroffenen, um eine moralische Wiedergutmachung.

Und es geht auch darum dafür zu sorgen, dass solche Vorkommnisse nicht mehr geschehen können.

Erich Fried soll nicht recht bekommen:

„Wehret den Anfängen"
Was keiner geglaubt haben wird
Was keiner gewusst haben konnte
Was keiner geahnt haben durfte
Das wird dann wieder das gewesen sein
Was keiner gewollt haben wollte

Ihre Geschichte lehrt uns, dass es Situationen gibt, in denen man fähig sein muss, einen Schritt nach vorne zu machen und zu versuchen, einen Teil der Vergangenheit wieder gut zu machen. Normalerweise entschuldigt man sich im privaten Rahmen. Manchmal ist es jedoch erforderlich, das im öffentlichen Rahmen zu tun. Sehr geehrte Damen und Herren, dies möchte ich heute an dieser Stelle machen.

Il y a des situations dans lesquelles il faut être capable de faire un pas en avant pour tenter de réparer une partie du passé. En temps normal, les excuses se font dans la sphère privée. Mais parfois il est important de le faire officiellement. C'est ce que j'aimerais faire devant vous aujourd'hui.

Im Bewusstsein, dass Vergangenes nicht ungeschehen gemacht werden kann, möchte ich Sie im Namen des Bundes in aller Form um Entschuldigung dafür bitten, dass Sie ohne Gerichtsurteil zur Erziehung administrativ versorgt wurden.

Bien consciente que le passé ne peut être changé, Mesdames et Messieurs, au nom de la Confédération, je vous prie d'accepter nos excuses les plus sincères, pour votre placement sans procédure judiciaire dans des établissements pénitentiaires.

Sie sind ohne gerichtliches Urteil zur Erziehung in eine Strafanstalt verbracht worden, sind weggesperrt worden. Dies, obwohl Sie keine Straftat begangen haben, die eine solche Massnahme rechtfertigt hätte. Sie haben sich lediglich nicht so verhalten, wie man das von Ihnen erwartet bzw. gewünscht hat. Ihre Eltern waren nicht fähig, mit Ihnen umzugehen, den Weg mit Ihnen zu finden. Fragen der Rechtschaffenheit, oftmals auch Armut, führten zur Ausgrenzung.

Die Gesellschaft war ratlos und überfordert.

Sie wurden zurückgesetzt; Ihnen wurde Leid angetan, körperliches und ganz besonders auch seelisches; Ihnen fehlte Geborgenheit und Liebe und wohl auch das notwendige Grundvertrauen, das im Leben so wichtig ist.

Diese einschneidende Erfahrung hat Ihr Leben geprägt. An Ihrem Schicksal sind Sie nicht selber schuld.

Über das Leid, das Sie erfahren haben, können, dürfen und wollen wir nicht einfach hinwegsehen.

Wir sind miteinander daran, ein dunkles Kapitel unserer Sozialgeschichte zu bewältigen.

Es wird immer wieder schwierige Kapitel geben. Dabei müssen wir uns bewusst sein, dass auch die beste Gesetzgebung nicht alles richten kann. Wichtiger als Gesetze sind das Engagement und das Mitgefühl jener, die Kinder, Jugendliche und Erwachsene im Alltag begleiten und unterstützen.

Und: Wie künftige Generationen unsere Zeit, unsere Arbeit, unser Tun sehen und werten werden, wissen wir nicht.

Ich hoffe, dass es uns gelingt, mit diesem Schritt nach vorn einen Teil der Vergangenheit wieder gut zu machen und dass dieser Schritt Ihnen hilft, das Stigma der Strafanstalt endgültig ablegen zu können.

Ich danke allen, die zum Gelingen dieses Treffens beigetragen haben. Sie geben damit jenen ein Gesicht und eine Stimme, die während viel zu langer Zeit nicht gesehen und gehört worden sind.
Ihnen, liebe direkt Betroffene, wünsche ich von Herzen die Kraft, Ihre Lebensgeschichte zu akzeptieren und Ihren Weg mit Zuversicht weiterzugehen - «Ton avenir est ce que tu en feras. Avenir veut dire vouloir -» (Patrick White)


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