Für alles was Recht ist

Berne, 05.09.2002 - Les paroles prononcées font foi

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Sehr geehrter Herr Direktor

Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesamtes für Justiz

Sehr verehrte Gäste

  1. Das Bundesamt für Justiz - ich nenne es mein Kompetenzzentrum für Recht - feiert heute seinen 100-jährigen Geburtstag.
     
    Ich freue mich sehr, dass an dieser Feier nicht nur viele - auch pensionierte - Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit ihren Partnern und Partnerinnen anwesend sind, sondern auch Vertreterinnen und Vertreter fast aller Institutionen, mit denen das Amt zusammenarbeitet: Mitglieder des Parlaments und der Bundesgerichte, Regierungsräte und Regierungsrätinnen, die Bundeskanzlerin, die Vizekanzlerin und der Vizekanzler, Direktoren und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus allen Departementen.
     
    Ich freue mich auch, dass die Wissenschaft so prominent vertreten ist und all die Organisationen, mit denen das Amt besondere Beziehungen unterhält.
     
    Ganz besonders begrüssen möchte ich meinen Vorgänger und meine Vorgängerin im Amt, Herrn Bundesrat Koller und Frau Bundesrätin Kopp.
     
    Die Anwesenheit von Ihnen allen zeugt eindrücklich davon, dass Recht setzen und Recht anwenden ein grosser kommunikativer Prozess mit vielen Beteiligten ist.
     
  2. Das Bundesamt für Justiz ist 100 Jahre alt, also im Wesentlichen ein Kind des 20. Jahrhunderts. In diesem Zeitabschnitt haben nicht nur die grössten Kriege der Menschheitsgeschichte stattgefunden, sondern tief greifende gesellschaftliche und technologische Umwälzungen - fast überall auf der Welt und natürlich auch in unserem Land.

    Diese Umwälzungen haben nicht nur unsere Landschaft, unsere Wirtschaft und das gesellschaftliche Zusammenleben verändert, sie haben sich auch im Recht niedergeschlagen. Mehr noch: sie sind vom Recht zu einem wesentlichen Teil initialisiert und gesteuert worden.

    Das Recht als Regulativ für ein geordnetes Zusammenleben, aber auch in seiner sinn- und wertstiftenden Funktion, war wohl noch nie so gefordert wie in diesem 20. Jahrhundert.

    Mit den Mitteln des Rechts nämlich ist in unserm Land ein leistungsfähiger Sozialstaat geschaffen worden. In ihrer Verfassung - im höchsten Recht unseres Staates - hat sich die Schweiz zu einer liberalen und sozialverpflichteten Eigentums- und Wirtschaftsordnung bekannt.

    Mit dem Recht ist der Staat aber auch sozialen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Diskriminierungen entgegengetreten. Ich denke zum Beispiel an das neue Eherecht oder an das Gleichstellungsgesetz.

    Auch die Benachteiligungen von behinderten Menschen sollen mit Hilfe des Rechts gemindert werden. Dazu sind die Arbeiten noch im Gang.

    Immer mehr wird vom Recht auch erwartet, dass es die riesigen Potenziale moderner Wissenschaft und Technik steuert. Es soll sicherstellen, dass diese verantwortungsvoll eingesetzt, deren Risiken eingedämmt werden und eine menschenunwürdige Nutzung unterbleibt - zum Beispiel in der Gentechnik.

    Die rasante technologische Entwicklung erlaubt es auch, den Anfang des menschlichen Lebens zu beeinflussen und sein Ende immer mehr hinauszuzögern. Mit dem Recht müssen deshalb auch die Bedingungen für ein menschenwürdiges Leben und Sterben zum Teil neu definiert werden.

    Dazu kommt, dass sich die Gesellschaft und damit auch die Rechtsgemeinschaft immer grossräumiger organisiert.

    Was anfangs des vorigen Jahrhunderts innerhalb kantonaler Grenzen geordnet wurde - zum Beispiel die soziale Sicherheit -, wurde nun schweizweit geregelt.

    Aufgaben, welche die Schweiz im 19. Jahrhundert noch in eigener Kompetenz bewältigen konnte, sind heute zum Teil nur noch im Rahmen internationaler Zusammenarbeit zu erfüllen - man denke etwa an die Verbrechensbekämpfung.

    Es sind internationale und supranationale Organisationen entstanden - ich nenne nur die UNO oder die EU -, zu denen unser Land auch eine rechtliche Beziehung finden musste und muss.

  3. Die Rechtsgeschichte des letzten Jahrhunderts ist ein Stück weit zugleich auch die Geschichte des Bundesamtes für Justiz.

    Zwar waren die grossen Kodifikationen am Anfang des letzten Jahrhunderts auf dem Gebiet des Zivil- und Strafrechts zu einem wesentlichen Teil noch das Werk einzelner herausragender Persönlichkeiten.

    Auch für die später folgenden, zum Teil sehr bedeutenden Revisionen dieser Gesetze - ZGB, OR, StGB war die Arbeit von aussenstehenden Experten sehr wichtig - aber die Handschrift des Amtes wird im Laufe der Zeit immer deutlicher.

    Das gilt in ganz besonderem Mass für die Totalrevision der Bundesverfassung, die gegen Ende des letzten Jahrhunderts an die Hand genommen wurde und gleichsam die Morgengabe des Amtes für das neue Jahrtausend darstellt.

    Das Amt hat auch wesentlich mitgeholfen, als es darum ging, die Schweiz in die internationale Rechtsgemeinschaft zu führen - ich erwähne etwa den Beitritt unseres Landes zur Europäischen Menschenrechtskonvention und die bilateralen Abkommen mit der Europäischen Gemeinschaft.

  4. Das Bundesamt für Justiz ist eine eigentliche Werkstätte für gute Gesetzgebung.

    Dabei geht es ihm nicht darum, sich mit eigenen Ideen zu profilieren. Ich erlebe das Amt vielmehr als eine Art Drehscheibe, welche versucht, die Erkenntnisse der Rechtswissenschaft in die Politik zu tragen und umgekehrt die Wissenschaft für die Probleme der Politik zu interessieren.

    Es versteht sich als Dienstleistungsbetrieb, der hilft, die politischen Ideen von Bundesrat und Parlament in rechtliche Formen zu giessen. Es befasst sich nicht nur mit Geschäften des EJPD, sondern berät und unterstützt auch andere Departemente bei der Vorbereitung von Erlassen.

    Es ist auch ein stetes Anliegen des Bundesamtes, die Gesetzesproduktion in geordneten Bahnen zu halten. Es wirkt darauf hin, dass Gesetze gerecht und richtig sind. Sie sollen bei aller Komplexität des Sachverhalts einfach, klar und verständlich abgefasst werden.

    Zwar beklagen sich auch in unserm Land Bürgerinnen und Bürger oft über die umfangreiche und schwierige Gesetzgebung. Im internationalen Vergleich sind aber unsere Gesetze alleweil einfach und gut lesbar. Dies ist das Ergebnis einer guten Zusammenarbeit des Bundesamtes für Justiz mit den Sprachdiensten der Bundeskanzlei.

    Es gilt aber nicht nur, gutes Recht zu schaffen, das Recht muss auch durchgesetzt werden. Meist ist die Rechtsanwendung zwar weniger spektakulär als die Rechtsetzung. Und doch gehört diese Vollzugsarbeit, an der das Bundesamt für Justiz ebenfalls beteiligt ist, zur Infrastruktur jeder funktionierenden Gesellschaft.

  5. Das Bundesamt für Justiz ist aber nicht nur eine Institution. Hier wirken vor allem Menschen, initiative, engagierte und breit interessierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

    Das Bundesamt hat mit 46 Prozent innerhalb der Bundesverwaltung einen weit überdurchnittlichen Frauenanteil und mit 49 Prozent eine fast rekordverdächtige Anzahl von Teilzeitbeschäftigten.

    Es ist ein fortschrittliches, ein aufgeschlossenes Amt. Die Professionalität und der Einsatz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind gross.

    Die Juristinnen und Juristen des Bundesamtes für Justiz argumentieren fundiert und differenziert. Und ich darf immer wieder feststellen, dass sie verdientermassen weit herum einen guten Ruf geniessen.

  6. Ich arbeite sehr gerne mit Ihnen zusammen, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ich bin auch immer wieder stolz auf das BJ.

    Umso mehr bedaure ich es, wenn das Departement und das Bundesamt für Justiz ungerechtfertigten Vorwürfen ausgesetzt sind.

    Dies war diesen Sommer der Fall: Die Reformen im Gesellschaftsrecht seien zu langsam und es würden falsche Prioritäten gesetzt, die Revision des SchKG werde auf die lange Bank geschoben, beim Rechnungslegungsrecht herrsche Funkstille und das Humangenetikgesetz sei schubladisiert worden.

    Wir dürfen uns von solchen Vorwürfen nicht verunsichern lassen, vor allem weil wir auch wissen, dass solche Aussagen meistens auf ungenauen Sachkenntnissen beruhen oder allfällige Verzögerungen begründet sind.

    Selbstverständlich will ich veränderten Verhältnissen Rechnung tragen und nötigenfalls auch die Prioritätensetzung anpassen. Unsere auf Konsistenz und Machbarkeit ausgerichteten Planungen sollten aber nicht ohne Weiteres auf den Kopf gestellt werden.

    Wir können die zahlreichen und oftmals komplexen Aufgaben nur seriös und erfolgreich meistern, wenn wir immer auch die grösseren Zusammenhänge und die Gesamtheit unserer Pflichten im Auge behalten.

    Ich weiss, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, dass meine Erwartungen an Sie hoch sind und die für ihre Erfüllung gesetzten Fristen oftmals etwas kurz. Ich kann Sie aber versichern, ich bin mir sehr bewusst, dass nicht alles gleichzeitig gemacht werden kann und dass im Bundesamt für Justiz Menschen arbeiten, deren Produktivität ohne Qualitätseinbusse nicht unbeschränkt erhöht werden kann. Menschen, die neben ihrem Beruf auch ein Privatleben haben, das ihnen wichtig ist. Und das ist gut so.

    Ich möchte Ihnen allen, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ganz herzlich danken für die grosse Arbeit, die Sie leisten.

    Ihr Amt und Sie persönlich haben Gesetzgeber und Rechtsanwender im Bund stets kräftig unterstützt - mit gründlichen Recherchen ebenso wie mit kreativen Ideen. Sie haben so die schweizerische Rechtslandschaft mitgeprägt. Sie waren und sind das sprichwörtliche "juristische Gewissen" von Bundesrat und Departement.

    Ich zähle auch in Zukunft auf Ihre tatkräftige Hilfe. Und ich wünsche mir, dass Ihr Amt die künftigen Probleme unserer Gesellschaft frühzeitig spürt, dass ihm die Fähigkeit zur Problemlösung erhalten bleibt, dass es weiterhin massgeblich mithilft, richtige, gerechte und verständliche Gesetze zu schaffen.

    Wenn das gelingt, wird Ihr Amt weiterhin eine erste Adresse in unserm Land sein "für alles was Recht ist".


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Département fédéral de justice et police
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