Berichte zu den Verhaftungen von zwei Asylsuchenden in Sri Lanka liegen vor

Bern. Im Sommer 2013 wurden zwei abgewiesene Asylsuchende bei ihrer Einreise in Sri Lanka verhaftet. Das Bundesamt für Migration (BFM) reagierte damals umgehend und stoppte sämtliche Wegweisungen nach Sri Lanka. Gleichzeitig liess es die Verfahren der beiden Asylsuchenden extern und intern überprüfen. Die Gutachter stellen in verschiedenen Schritten beider Verfahren Mängel fest, deren Kumulation dazu führte, dass das individuelle Risiko einer Gefährdung falsch eingeschätzt worden ist. Das BFM bedauert diese Vorfälle. Die Expertisen empfehlen verschiedene Massnahmen. Das BFM hat diese bereits umgesetzt oder deren Umsetzung in die Wege geleitet. Zudem hat das BFM seine Asyl- und Wegweisungspraxis für Sri Lanka der aktuellen Lage angepasst. Damit sind die Voraussetzungen gegeben, um den Wegweisungsstopp aufzuheben. Bei allen abgewiesenen Asylsuchenden aus Sri Lanka erfolgt eine erneute Prüfung ihrer Gefährdung anhand aktualisierter Kriterien.

Im Sommer des letzten Jahres sind zwei abgewiesene Asylsuchende nach ihrer Ankunft in Sri Lanka inhaftiert worden. Das Bundesamt für Migration (BFM) hatte ihre Asylgesuche 2011 abgelehnt und später die Wegweisung angeordnet. Deren Vollzug war vom Bundesverwaltungsgericht in beiden Fällen als zulässig und zumutbar erachtet worden. Die beiden Personen befinden sich heute noch in Haft. Die Schweizer Botschaft in Colombo steht in regelmässigem Kontakt mit den Angehörigen der beiden.

Umfassende Abklärung

Das BFM bedauert diese Vorfälle. BFM-Direktor Mario Gattiker hat unmittelbar nach Bekanntwerden der beiden Verhaftungen umfangreiche interne und externe Abklärungen veranlasst. Die Berichte  von Rechtsprofessor Walter Kälin (Leiter des Schweizerischen Kompetenzzentrums für Menschenrechte) sowie des UNO-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR) sind nun abgeschlossen und gelangen zu einem ähnlichen Fazit wie die amtsinterne Untersuchung. Die Verknüpfung verschiedener Mängel in diesen beiden Verfahren hat dazu geführt, dass das individuelle Risiko einer Gefährdung in Sri Lanka nicht richtig eingeschätzt worden ist. Dazu beigetragen haben mehrere  Faktoren:

  • Komplexer Kontext Sri Lanka: In beiden Fällen dauerte es mehr als vier Jahre von der Einreichung des Asylgesuchs (2009) bis zum Vollzug der Wegweisung (2013). In dieser Zeit änderte sich die Situation in Sri Lanka. Die nach dem Kriegsende von 2009 vorherrschende Hoffnung auf eine Versöhnung im Land hat sich so nicht realisiert, der Druck auf die Diaspora ist gestiegen.
  • Viele Verfahrensbeteiligte: Die lange Zeitspanne brachte mit sich, dass die Dossiers von mehreren Personen bearbeitet wurden. So war es nicht dieselbe Person, welche die Befragungen durchführte und später den Asylentscheid fällte.
  • Systembedingte Umstände: Das BFM hatte damals eine Reorganisation umgesetzt, welche dazu führte, dass Führungspersonen im Asylbereich eine grosse Anzahl von Mitarbeitenden betreuen mussten. Dies hatte Auswirkungen auf die Führung und fachliche Begleitung der Mitarbeitenden.  Im Zuge der 2012 gestarteten  Organisationsentwicklung des BFM wurde dieser Mangel behoben. 
  • Unterlassungen in den Verfahren: Bei diesen beiden Verfahren gingen die Anhörungen  teilweise zu wenig in die Tiefe, zudem unterblieben notwendige weitere Abklärungen.

Erkenntnisse und Massnahmen

Die Expertisen kommen zum Schluss, dass nicht ein einzelner gravierender Fehler kausal zur Verhaftung der beiden Gesuchsteller führte. Deshalb können nicht einzelne BFM-Mitarbeitenden für die Fehlbeurteilung verantwortlich gemacht werden: Es lässt sich kein grobfahrlässiges Handeln von Mitarbeitenden oder ihren Vorgesetzten feststellen.

Die BFM-Führung nimmt ihre Verantwortung wahr, indem sie die internen Abläufe und Prozesse durchleuchtet hat, um Optimierungsmöglichkeiten zu eruieren. BFM-Direktor Mario Gattiker hat die betreffenden Einheiten angewiesen, diese Optimierungen wie auch die Empfehlungen, welche die Gutachter ans Amt richten, rasch und konsequent umzusetzen. Dies ist zu einem grossen Teil bereits erfolgt. So hat das BFM die Grundausbildung für neue Mitarbeitende überprüft und angepasst, das Weiterbildungsangebot ausgebaut und die fachliche Unterstützung von Mitarbeitenden verstärkt. Zudem wurden die Arbeitsinstrumente überarbeitet. Schliesslich achtet das BFM heute soweit möglich darauf, dass der Asylentscheid in zeitlicher Nähe zur Anhörung und durch dieselbe Person erfolgt.

Asylverfahren sind höchst anspruchsvolle Prozesse, die von den Beteiligten ein grosses Fachwissen, Analysefähigkeit sowie kommunikative und psychologische Kompetenzen erfordern. Es ist Aufgabe des BFM, die Qualität der Verfahren kontinuierlich zu überprüfen und wo möglich zu verbessern. Das BFM hat die Lehren aus diesen beiden Einzelfällen gezogen. Zudem wird das Amt den Austausch mit dem UNHCR im Bereich der Qualitätssicherung verstärken.

Gefährdung wird nach neuen Kriterien beurteilt

Die veränderte Situation in Sri Lanka machte eine neue Lagebeurteilung notwendig. Diese hat das BFM in Kooperation mit dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) und weiteren Bundesstellen im März 2014 vorgenommen – auf der Basis von Berichten internationaler Organisationen (vor allem dem UNHCR) und einer Analyse von BFM-Mitarbeitenden vor Ort in Sri Lanka. Im Anschluss an die neue Lagebeurteilung hat das BFM die so genannten Risikoprofile angepasst: Die Kriterien, die zu einer möglichen Gefährdung von Gesuchstellern führen könnten, wurden ergänzt. Gleichzeitig hat das BFM eine neue Asyl- und Wegweisungspraxis für Sri Lanka definiert, die der aktuellen Lageentwicklung in Sri Lanka Rechnung trägt und sich an den UNHCR-Empfehlungen und an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte orientiert.

Damit sind die Voraussetzungen geschaffen, um zur Einzelfallprüfung der Gesuche aus Sri Lanka zurückzukehren und den seit August geltenden Entscheidungs- und Vollzugsstopp aufzuheben. Die Wiederaufnahme der Entscheidtätigkeit beinhaltet, dass bei sämtlichen srilankischen Gesuchstellern anhand der neuen Risikoprofile überprüft wird, ob sie gefährdet sein könnten. Personen mit einem rechtskräftigen negativen Asylentscheid wird zunächst das rechtliche Gehör gewährt, gegebenenfalls wird das BFM ein neues Verfahren eröffnen. Es ist davon auszugehen, dass sich die Schutzquote aufgrund der angepassten Risikoprofile erhöhen könnte.

Letzte Änderung 26.05.2014

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