Vereinheitlichung des Zivilprozessrechts - EJPD schickt Expertenentwurf in die Vernehmlassung

Bern, 26.06.2003 - Das Zivilprozessrecht ist heute in 26 Gesetzen geregelt. Nun soll es vereinheitlicht werden: Die Reform bringt mehr Anwenderfreundlichkeit, ist einem modernen Service verpflichtet und hebt die Rechtszersplitterung in der Schweiz auf. Der Bundesrat hat das EJPD ermächtigt, den von einer Expertenkommission erarbeiteten Vorentwurf für eine Schweizerische Zivilprozessordnung in die Vernehmlassung zu schicken. Diese dauert bis Ende Dezember 2003.

Heute ist das Zivilprozessrecht nicht in einem Bundesgesetz, sondern in 26 kantonalen Zivilprozessgesetzen geregelt. Daneben enthalten aber auch die Bundesverfassung und eine Reihe von Bundesgesetzen verfahrensrechtliche Regeln. Zudem hat das Bundesgericht in wesentlichen Fragen ungeschriebenes Zivilprozessrecht entwickelt. Entsprechend unübersichtlich und schwer zugänglich sind heute die Quellen des Zivilprozessrechts. Diese Rechtszersplitterung führt zu Rechtsunsicherheit und erheblichen Schwierigkeiten in der Praxis. Mit der am 12. März 2000 von Volk und Ständen angenommenen Justizreform wurden die Verfassungsgrundlagen geschaffen, um diese Mängel zu beheben und das Zivilprozessrecht zu vereinheitlichen.

Vertrautes und Neues

Der von einer Expertenkommission ausgearbeitete Vorentwurf für eine Schweizerische Zivilprozessordnung (ZPO) übernimmt die anerkannten Grundsätze und viele bewährte Rechtsinstitute aus den kantonalen Zivilprozessgesetzen, ohne jedoch eine bestimmte Zivilprozessordnung als Vorbild zu nehmen. Jeder Kanton wird somit im Vorentwurf vertraute Regeln, aber auch Neues finden. Die Vereinheitlichung des Zivilprozessrechts bedingt daher einerseits Flexibilität und die Bereitschaft, sich auf Neuerungen einzulassen, bedeutet aber andererseits eine Fortentwicklung der Rechtstradition. Besonderes Gewicht legt der Vorentwurf auf ein praxisnahes und ökonomisches Verfahren, um den Rechtsuchenden einen raschen und wirksamen Rechtschutz zu gewährleisten, aber auch um ein zweckmässiges Instrument für die Gerichte sowie für Anwältinnen und Anwälte zu sein.

Das Prozessrecht entschlacken

Der Vorentwurf der Expertenkommission entspricht mit seinen knapp 400 Artikeln dem Umfang einer durchschnittlichen kantonalen Zivilprozessordnung. Effektiv ist er jedoch wesentlich kürzer: Er regelt nämlich umfassend das zivilprozessuale Verfahren vor kantonalen Gerichten, so dass zahlreiche prozessrechtliche Vorschriften im Zivilgesetzbuch, im Obligationenrecht und in über 20 weiteren Bundesgesetzen gestrichen werden können. Neben diesen Normen des Bundesrechts entfallen zudem das gesamte Konkordatsrecht im Bereich des Zivilprozesses sowie rund 10 000 Vorschriften der kantonalen Zivilprozessordnungen, was das schweizerische Prozessrecht wesentlich vereinfacht und entschlackt.

Grosse Bedeutung des sozialen Zivilprozesses

Der Vorentwurf geht von den klassischen Verfahrenstypen aus. Sie sind auf die verschiedenen Arten des Rechtsstreites und der Parteien zugeschnitten: ordentliche Verfahren, handelsgerichtliche Streitigkeiten, vereinfachte, kostengünstige Verfahren (sozialer Zivilprozess) und summarische Verfahren. Das ordentliche Verfahren dient als Basis. Eine grosse Bedeutung kommt dem sozialen Zivilprozess zu, der besonders in Fragen des Miet-, Arbeits- und Konsumentenrechts angewendet werden soll.

Mehr Effizienz

Der Vorentwurf zielt auf eine möglichst straffe und einzelfallgerechte richterliche Prozessleitung, ohne grundsätzlich von der Verhandlungsmaxime (Darlegung des Streites durch die Parteien) abzurücken. Das Gericht hat zahlreiche Möglichkeiten für ein effizientes Prozessmanagement. Je nach den Erfordernissen der Prozessökonomie kann es beispielsweise Verfahren trennen oder vereinigen. Ein weiteres Anliegen ist die Prozessbeschleunigung, wobei jedoch die Wahrheitsfindung nicht vernachlässigt werden soll.

Das Rechtsmittelsystem folgt der schweizerischen Rechtstradition. Anders als in der Bundesrechtspflege werden keine Einheitsbeschwerden, sondern verschiedene Rechtsbehelfe nach dem Vorbild der kantonalen Ordnungen (Appellation, Rekurs und Beschwerde) vorgeschlagen. Die Kompatibilität mit dem Bundesgerichtsgesetz ist aber gewährleistet.

Keine Sammelklagen

Der Vorentwurf schlägt Innovationen vor, soweit sie sich in die schweizerische Rechtsordnung integrieren lassen, verzichtet aber auf Experimente. So sieht er von der Einführung der im amerikanischen Recht bekannten Sammelklage (class action) ab. Im Gegenzug erweitert er bewährte Institute, die ähnliche Ziele wie die Sammelklage verfolgen können (Streitgenossenschaft, Intervention, Verbandsklage, Zusammenführung konnexer Verfahren).

Der Vorentwurf vereinheitlicht nur das Verfahrensrecht. Die Gerichtsorganisation bleibt Sache der Kantone.


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Letzte Änderung 30.01.2024

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