Schweiz setzt sich für gemeinsame Migrationspolitik ein

New York. Point de Presse zur UNO-Deklaration zu Flucht und Migration – Ausführungen von Bundesrätin Simonetta Sommaruga.

Dieser Sondergipfel zeigt, dass die Migration definitiv auf der politischen Agenda, auf der Uno-Agenda, angekommen ist. Und das ist gut so. Denn Migrationsthemen sind in allen Staaten auf der ganzen Welt umstritten, sie werden in Abstimmungskämpfen genutzt und vor allem in Wahlkämpfen. Das erleben wir zurzeit in verschiedenen Staaten. Das Thema wird innenpolitisch von nationalistischen und populistischen Parteien genutzt, um Stimmung zu machen. Und deshalb ist es höchste Zeit, dass dieses Thema auch auf der Agenda der Staatengemeinschaft angekommen ist.

Eine Zahl nur: 65 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht. Und etwas, das wir bei dieser Zahl nicht vergessen dürfen: 85% dieser Menschen befinden sich in Entwicklungsländern und nicht in Europa. Es ist wichtig, dass wir uns daran erinnern. In dieser Situation – also einer Flüchtlingskrise – haben Staaten zwei Möglichkeiten, und das war auch in der Vergangenheit so: Entweder ziehen sie sich auf die nationale Politik zurück. Oder sie versuchen, gemeinsam mit anderen Staaten Lösungen zu suchen.

Erinnern wir uns an die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. 1951 wurde die Genfer Flüchtlingskonvention abgeschlossen. Sie war eine Antwort auf die Flüchtlingskrise des zweiten Weltkrieges. Diese Konvention ist eine der grossen Errungenschaften, und sie ist bis heute aktuell geblieben.

Eine der Erwartungen, die ich an diesen Sondergipfel habe, ist deshalb, dass Errungenschaften wie eben die Flüchtlingskonvention, das Non-Refoulement-Prinzip oder die Menschrechtsabkommen erneut bestärkt werden – und dass diese Instrumente auch von allen Staaten angewendet werden.

Wir haben heute Morgen eine politische Deklaration verabschiedet. Das ist auch eine Folge der Agenda 2030: Letztes Jahr hat man sich darauf geeinigt, dass man in diesem Thema gemeinsam weiter arbeitet. Und heute, nach bereits 9 Monaten, wurde eine Deklaration verabschiedet mit der Absicht, in den nächsten zwei Jahren zwei Rahmenwerke auszuarbeiten, um den Schutz der Flüchtlinge und der Migrantinnen und Migranten in vulnerablen Situationen zu verbessern.

Diese Deklaration ist auch Ausdruck davon, dass man sich auf Folgendes verständigt hat: Es gibt zwar Errungenschaften, also Instrumente, die bereits angewendet werden; es gibt aber nach wie vor auch Lücken.

Es gibt zum Beispiel neue Phänomene von Migration wie die sogenannte gemischte Migration, wenn also an einer Grenze Flüchtlinge und Migranten stehen und man ihnen nicht ansieht, ob sie schutzbedürftig oder nicht schutzbedürftig sind. Umgekehrt gibt es Schutzmassnahmen, auf die jeder Mensch ein Anrecht hat, unabhängig davon, ob es sich um einen Flüchtling oder einen Migranten handelt. Es gibt auch neue Gründe für Zwangsvertreibung, zum Beispiel die Klimaveränderung. Und es gibt Staaten, die mit dieser Form von Migration von Flüchtlingen überfordert sind und deshalb die Unterstützung von anderen Staaten brauchen.

Solche Veränderungen machen es nötig, jetzt neue Instrumente zu erarbeiten. Das ist Sinn und Zweck dieser Deklaration, die heute verabschiedet worden ist.

Was ist dabei die Rolle der Schweiz? Die Schweiz hat sich immer stark eingebracht in der multilateralen Zusammenarbeit.

Erstens ist die Schweiz Depositarstaat der Genfer Flüchtlingskonvention. Genf ist das Kompetenzzentrum weltweit für Flüchtlingsfragen und für das Flüchtlingsrecht. Wir wollen das auch weiterhin bleiben. In Genf ist der Sitz der UNHCR, in Genf befindet sich die IOM (Internationale Organisation für Migration).

Zweitens engagiert sich die Schweiz seit Jahren im GFMD (Global Forum on Migration and Development). Das ist eine internationale Plattform, mit der Staaten sich zu ganz konkreten Fragen austauschen und sich gegenseitig unterstützen können.

Selbstverständlich will die Schweiz jetzt auch die drei Pfeiler der heute verabschiedeten Deklaration unterstützen, nämlich die Verhinderung von Flucht, also die Prävention, den Schutz der Flüchtlinge und die wirtschaftliche Selbständigkeit von Migrantinnen und Migranten und Flüchtlingen. Die Schweiz ist wie alle Nationalstaaten aufgerufen, in ihrer Politik die Flüchtlingskonvention und die bestehenden Prinzipien einzuhalten.

Wir haben dabei auch in der bilateralen Zusammenarbeit mit Staaten einiges zu bieten. Zum Beispiel haben wir das Instrument der Migrationspartnerschaften entwickelt. Dabei haben wir mit anderen Staaten, zum Beispiel Tunesien, auf Augenhöhe eine zeitgemässe Form der Zusammenarbeit entwickelt; eine solche Zusammenarbeit ist sehr erfolgreich.

Mulitlaterale Zusammenarbeit ist aber immer langsam. Multilaterale Prozesse sind aufwändig und anspruchsvoll. Es gibt gerade in der Migration grosse Interessensgegensätze innerhalb der Staatengemeinschaft. Deshalb ist es umso erfreulicher, dass man heute zusammengekommen ist, dass es an diesem Sondergipfel gelungen ist, diese Deklaration zu verabschieden. In beiden Bereichen, also für Flüchtlinge und Migrantinnen und Migranten, sollen in den nächsten beiden Jahren konkrete Antworten gefunden und Fragen vertieft werden. In diesem Sinne ist für mich dieser Sondergipfel nur ein erster Schritt, aber ein wichtiger.

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Letzte Änderung 19.09.2016

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