Die verfassungsmässigen Rechte garantieren – auch bei Einbürgerungen; Bundesrat begründet Nein zur Einbürgerungsinitiative Medienkonferenz vom 24. April 2008

Bern, 24.04.2008 - Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf begründete an der heutigen Medienkonferenz in Bern, warum der Bundesrat die Initiative „Für demokratische Einbürgerungen“ ablehnt. Im Zentrum steht die Bewahrung der verfassungsmässigen Rechte des Einzelnen, vor allem der Schutz vor Willkür und Diskriminierung. Auch die Urner Regierungsrätin und Justizdirektorin Heidi Z’graggen (CVP) stellte sich gegen die Initiative. Sie betonte, dass bei einer Annahme der Initiative die bewährte Kompetenzordnung zwischen Gemeinden und Kantonen in Frage gestellt wäre.

Am 1. Juni 2008 stimmen die Schweizerinnen und Schweizer über die Volksinitiative „Für demokratische Einbürgerungen“ ab. Die Initiative der Schweizerischen Volkspartei (SVP) verlangt, dass allein die Gemeinden darüber entscheiden sollen, welches Organ das Gemeindebürgerrecht erteilen darf. Ein erfolgter Einbürgerungsentscheid soll endgültig sein. Eine Überprüfung durch eine weitere Instanz soll ausgeschlossen werden. Die Initiative ist eine Reaktion auf zwei Urteile des Bundesgerichts vom 9. Juli 2003. Das Bundesgericht hatte damals entschieden, dass auch bei Einbürgerungsentscheiden zentrale rechtsstaatliche Grundsätze und verfassungsrechtliche Bestimmungen respektiert werden müssen. Namentlich gelten gemäss Auffassung des Bundesgerichts auch bei Einbürgerungen das Willkürverbot, das Diskriminierungsverbot, der Schutz der Privatsphäre und der Anspruch auf rechtliches Gehör.

Der Bundesrat lehnt die Initiative ab. Über Einbürgerungen muss in einem fairen und korrekten rechtsstaatlichen Verfahren entschieden werden. Diese Haltung stützt sich direkt auf die Bundesverfassung. Demnach dürfen ablehnende Entscheide nicht diskriminierend und willkürlich sein, und sie müssen begründet werden. Ein rechtlicher Anspruch auf Einbürgerung besteht nicht.

Demokratische Rechte sind gewahrt
Sowohl Bundesrätin Widmer-Schlumpf als auch Regierungsrätin Heidi Z’graggen hielten fest, dass die heute bestehenden Regelungen demokratisch legitimiert sind. Die Stimmbevölkerung der Kantone entscheidet nach demokratischen Regeln, welches Gremium die Einbürgerungen vornimmt. Diese Regelungen haben sich bewährt.

Die geltenden Verfahren in den Kantonen verhindern, dass Ausländerinnen und Ausländer eingebürgert werden, die in der Schweiz nur mangelhaft integriert sind oder sich nicht mit unseren rechtsstaatlich-demokratischen Grundsätzen identifizieren können. Entscheidend ist nicht die Frage, welches Organ die Einbürgerung vornimmt, sondern der Integrationsgrad der Einzubürgernden. Die Einbürgerungsinitiative leistet keinen Beitrag zur Erhöhung der Qualität der Einbürgerungsentscheide.

Regierungsrätin Heidi Z’graggen wies darauf hin, dass die Annahme der Initiative die föderalistische Kompetenzordnung zwischen Gemeinden und Kantonen in Frage stellt und zu Rechtsunsicherheiten führen könnte. Zudem besteht die Gefahr eines eigentlichen Einbürgerungstourismus, wenn in den Gemeinden unterschiedliche Einbürgerungsverfahren angewendet werden. Das kann nicht im Interesse der Gemeinden und Kantone liegen.

Es gibt keine „Masseneinbürgerungen“
Eduard Gnesa, Direktor des Bundesamtes für Migration, stellte in seinen Ausführungen klar, dass der Anstieg der Einbürgerungen nicht auf die Entscheide des Bundesgerichts zurückzuführen ist. Die Gründe hierfür liegen vielmehr in der Zulassung des Doppelbürgerrechts durch andere Staaten, der Abschaffung des automatischen Bürgerrechtserwerbs und der Einführung des Kostendeckungsprinzips, was zu einer Senkung der Kosten für die Einbürgerung geführt hat. Zudem spielt die demografische Entwicklung eine Rolle. Gemessen an der Anzahl der in der Schweiz lebenden Ausländer bürgert die Schweiz im internationalen Vergleich zudem sehr zurückhaltend ein.

Rechtsungleichheiten statt eingespielte Verfahren
Heinz Walser, Leiter des Amtes für Bürgerrecht und Zivilstand des Kantons St. Gallen, stellte klar, dass im Falle der Annahme der Initiative jede Gemeinde eine eigene Regelung finden müsste. Die Vielfalt von Einbürgerungsverfahren würde zwangsläufig zu verschieden hohen Hürden führen. Nebst dem Widerspruch zum bewährten föderativen System der Schweiz wären unbefriedigende Rechtsungleichheiten die Folge solcher Lösungen. Langjährig bewährte und eingespielte Verfahren würden aufgehoben.

Für den indirekten Gegenvorschlag des Parlaments
Die im Dezember 2007 von den Räten angenommene Gesetzesvorlage (Parlamentarische Initiative Pfisterer) stellt einen sinnvollen Gegenvorschlag zur Volksinitiative dar. Wie die Initiative berücksichtigt der indirekte Gegenvorschlag die Kompetenzen der Gemeinden und lässt ihnen viele Freiheiten. Zusätzlich wird jedoch verlangt, dass Einbürgerungen mit den rechtsstaatlichen Vorgaben vereinbar und nicht diskriminierend oder willkürlich sind. Auch der Gegenvorschlag schafft keinen Rechtsanspruch auf Einbürgerung. Es werden lediglich rechtsstaatliche Leitplanken für ein faires Verfahren gesetzt. Nach wie vor soll die Einbürgerung von Personen, welche die Voraussetzungen hierzu nicht erfüllen, abgelehnt werden können.

Zur Umsetzung des berechtigten Anliegens, dass die betroffenen Personen gut und umfassend integriert sein sollen und dass den Einbürgerungsentscheiden genaue und umfassende Abklärungen vorauszugehen haben, trägt die Initiative nichts bei. Der Bundesrat empfiehlt deshalb die Volksinitiative "Für demokratische Einbürgerungen" zur Ablehnung, spricht sich jedoch für den indirekten Gegenvorschlag des Parlaments aus.


Adresse für Rückfragen

Sascha Hardegger, Generalsekretariat EJPD, T +41 31 322 18 18
Brigitte Hauser-Süess, Bundesamt für Migration, T +41 31 325 93 50



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Letzte Änderung 06.02.2024

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