"Was die Gegner wollen, ist gescheitert"

Interview, 19. Februar 2021: Blick; Lea Hartmann, Pascal Tischhauser

Bundesrätin Karin Keller-Sutter im Blick-Interview zum E-ID-Gesetz.

Frau Bundesrätin, es sieht nicht gut aus für Sie: Die E-ID droht zu scheitern. Haben Sie damit gerechnet, dass es so harzig wird?

Schaut man sich die Vorgeschichte an, ist das nicht überraschend. Die Schweiz diskutiert bereits seit 15 Jahren über eine elektronische Identität. Andererseits erstaunt mich der Widerstand aber schon. Was nun auf dem Tisch liegt, ist eine Kompromisslösung, die notabene unter meiner Vorgängerin Simonetta Sommaruga ausgearbeitet wurde. Im Parlament wurde die Vorlage breit unterstützt, und die Opposition von rot-grüner Seite war weniger stark.

Das Problem an diesem Kompromiss: Private sollen die E-ID herausgeben. Ist so etwas nicht Aufgabe des Staates? Ich gehe auch nicht auf die Bank, um einen neuen Pass zu beantragen.

Hier muss ich klarstellen: Die E-ID ist kein Pass. Man kann damit nicht reisen und sich nicht ausweisen. Es geht vielmehr um ein staatlich überprüftes, sicheres Anmeldeverfahren im Internet. Mit der E-ID sind aber keine besonderen Rechte verbunden.

Die Frage bleibt: War es kein Fehler, die Ausstellung der E-ID Privaten in die Hand zu geben?

Im Gegenteil! Der Bund hat schon einmal eine rein staatliche Lösung lanciert, die sogenannte SuisseID. 25 Millionen Franken hat er damals ausgegeben – das Ganze war ein Misserfolg. Jetzt haben wir einen Kompromiss, bei dem jeder das macht, was er gut kann: Der Staat überprüft und garantiert die Identität der Personen, Private – aber nicht nur – kümmern sich um die technische Umsetzung.

Dennoch stört sich ein Teil der Bevölkerung daran, dass Firmen eine E-ID herausgeben.

Aber gleichzeitig stört es die Leute nicht, wenn sie E-Banking machen. Oder dass sie einer Privatfirma Daten liefern, wenn sie Fotos auf Facebook posten. Wenn man das vorgeschlagene Modell kritisiert, darf man heute gar kein E-Banking und Onlineshopping machen. Denn heute gibt es keinen speziellen gesetzlichen Rahmen für Onlinegeschäfte. Man kann natürlich dagegen sein. Aber wie gesagt: Das, was die Gegner wollen, ist gescheitert.

Welchen Mehrwert bringt uns die E-ID konkret?

Sie erleichtert zum Beispiel den Onlineverkehr mit einer Bank oder wenn man bei einer Versicherung eine Police abschliessen will. Dank der E-ID sind Sie besser vor Missbrauch geschützt. Und der andere weiss, dass Sie wirklich die Person sind, für die Sie sich ausgeben. Wichtig ist die E-ID aber vor allem auch für das E-Government, also den Onlinekontakt zwischen Behörden und Bürgerinnen und Bürgern. Da hinkt die Schweiz heute hinterher. Dabei ist es sehr praktisch, wenn man bei einem Wohnortwechsel oder für einen Betreibungsregisterauszug nicht immer auf die Gemeinde muss. Gewisse Dinge kann man zwar schon heute online erledigen, aber ohne besonderen Schutz und gesetzlichen Rahmen.

Die E-ID soll gratis sein. Viele vermuten: Wenn sie nichts kostet, zahlen wir einfach mit unseren Daten.

Das stimmt vielleicht für die heutigen Logins, aber eben gerade nicht für die E-ID. Es gibt zwei Arten von Daten: die Personenidentifizierungsdaten und die Nutzungsdaten. Diese müssen separat aufbewahrt werden. Dass die Daten mit diesem Gesetz gut geschützt sind, hat auch der Datenschutzbeauftragte bestätigt.

Eben, die E-ID-Herausgeber erhalten die Nutzungsdaten – und speichern sie sechs Monate.

Aber sie dürfen nichts mit ihnen machen. Sie wissen zudem nur, wo ich mich eingeloggt habe. Aber nicht, was ich eingekauft habe. Die sechs Monate Aufbewahrungszeit braucht man zum Beispiel, um einen Missbrauch nachweisen zu können. So ist es ja auch bei der Kreditkarte: Ich war auch schon froh, dass ich nachvollziehen konnte, ob ich etwas wirklich mit der Kreditkarte gezahlt habe.

Aber es fallen unnötig viele Daten an. Warum ist nicht eine Lösung Pflicht, bei der die Daten beim User bleiben? Bei der E-ID Schaffhausens und derjenigen von Zug geht das.

Das wird auch mit der E-ID gehen. Der Kanton Schaffhausen will seine Lösung ja anerkennen lassen. Das Gesetz lässt die technische Umsetzung offen. Sie muss aber datensparsam sein. Lassen Sie mich das verdeutlichen: Wenn ich online Schnaps bestellen würde, wüsste der Lieferant heute: Das ist Karin Keller, 57. Neu wird dem Shop einfach mitgeteilt, dass diese Person berechtigt ist, Schnaps zu kaufen. Das ist auch sehr wertvoll im Hinblick auf den Jugendschutz!

Inwiefern?

Mit der E-ID ist eine verlässliche Altersabfrage möglich, weil die Identität vom Bundesamt für Polizei bestätigt wird. Ein 13-Jähriger kann online also keine Filme mehr kaufen, die er nicht schauen darf.

Halt! Es wird weiterhin die Möglichkeit geben, sich auf normalem Weg einzuloggen. Und so kann der 13-Jährige weiterhin bestellen, was er will.

Korrekt. Jeder Onlineshop ist selbst für den Jugendschutz verantwortlich. Dass Online-Einkäufe künftig auch ohne E-ID möglich sein müssen, war eine Forderung des Konsumentenschutzes. Damit wird klar: Die E-ID ist absolut freiwillig. Das ist ein zentraler Punkt!

Was ist, wenn die Vorlage scheitert? Haben Sie einen Plan B?

Nein. Die E-ID ist der Plan B. Mit diesem Gesetz haben wir eine Schweizer Regelung mit einer Schweizer Aufsicht, und die Daten bleiben in der Schweiz. Das ist eine Chance. Man kann sie packen oder auch nicht. Aber wenn man sie nicht packt, geht die Entwicklung ohne staatliche Regulierung weiter.

Das heisst: Entweder diese Lösung oder keine? Aber es sind sich ja alle einig, dass es eine E-ID braucht!

Der Bundesrat hat eine staatlichen Lösung mit der SuisseID bereits durchgespielt. Die ist gescheitert. Ich bezweifle, dass der politische Wille da ist, nochmals denselben Fehler zu machen – und nochmals 25 Millionen Franken ohne Ergebnis zu investieren.

Weitere Infos

Dossier

  • Elektronische Identität: das E-ID-Gesetz

    Der Bundesrat und das Parlament wollten mit der E-ID eine staatlich regulierte und sicherere, elektronische Identität schaffen. Ein wichtiges Ziel der E-ID war auch, den Datenschutz zu stärken und dem E-Governement einen Schub zu geben. Gegen das Gesetz wurde das Referendum ergriffen. In der Volksabstimmung vom 7. März 2021 wurde das «Bundesgesetz über elektronische Identifizierungsdienste» abgelehnt, die von Bundesrat und Parlament vorgeschlagene Lösung fand bei den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern keine Mehrheit.

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Letzte Änderung 19.02.2021

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