TV-Statement

Volksabstimmung vom 18. Mai 2014

TV-Statement von Bundesrätin Simonetta Sommaruga

Liebe Mitbürgerinnen, liebe Mitbürger

Am 18. Mai stimmen wir über eine Initiative ab, die unsere Kinder vor Sexualstraftaten schützen will. Sie trägt den Titel „Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen“.

Das Problem bei dieser Initiative besteht darin, dass sie sich nicht ausschliesslich gegen Pädophile richtet. Sie verlangt ein lebenslanges Tätigkeitsverbot für jedes Sexualdelikt an minderjährigen oder abhängigen Personen, und zwar zwingend und ohne jede Ausnahme.

Um ein Sexualdelikt handelt es sich aber auch, wenn ein 20-jähriger Mann eine Freundin hat, die noch nicht 16 Jahre alt ist. Oder: wenn ein Arbeiter dem jungen Kollegen ein Sexvideo auf dem Handy zeigt. Oder: wenn ein Lehrmeister und eine Lehrtochter sich ineinander verlieben.

Wenn die Initiative angenommen wird, muss ein Gericht diese drei Personen genau gleich behandeln wie einen hochgefährlichen pädokriminellen Täter, der jahrelang Kinder sexuell ausgebeutet hat. Das Gericht müsste ihnen auch zwingend und lebenslang verbieten, zum Beispiel Lehrlinge auszubilden oder eine Juniorenmannschaft zu trainieren.
Hand aufs Herz: Dieser Automatismus geht zu weit. Die Initiative wirft alle in den gleichen Topf. Das ist nicht verhältnismässig und verstösst gegen wesentliche Prinzipien, die unseren Rechtsstaat ausmachen. Diese Prinzipien dürfen wir nicht über Bord werfen – auch dann nicht, wenn es um besonders abscheuliche Taten geht.

Das ist der Grund, weshalb der Bundesrat diese Initiative ablehnt. Und er tut es mit gutem Gewissen. Denn es gibt bereits ein neues Gesetz, das Kinder vor Missbrauch schützt – und zwar wirksamer als die Initiative und ohne unseren Rechtsstaat auszuhebeln.

Auch dieses neue Gesetz sieht ein lebenslanges Tätigkeitsverbot vor. Es kann dann verhängt werden, wenn es wirklich nötig ist, um Kinder zu schützen. In allen anderen Fällen muss das Verbot nicht lebenslang sein.

Übrigens: Das Verbot im neuen Gesetz kann nicht nur bei Sexualdelikten verhängt werden, sondern auch bei anderen Gewalttaten. Und dank einem Kontaktverbot können wir Kinder auch im privaten Bereich schützen – gerade hier finden ja die meisten Übergriffe statt. Und ausgerechnet hier bringt die Initiative nichts.

Das sind die Gründe, weshalb der Bundesrat diese Initiative ablehnt: Sie ist rechtsstaatlich bedenklich, und ihr Anliegen ist bereits umgesetzt.

Ich danke Ihnen fürs Zuhören.

Letzte Änderung 07.05.2014

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